Frankfurter Rundschau vom 26.10.2014
Von Sebastian Meineck (Foto: Renate Hoyer)
Am Samstag, 22. November, lädt der Förderverein Palliative Patienten-Hilfe Hanau zu einem Gespräch mit prominenten Gästen. Unter anderen ist Franz Müntefering zu Gast.
Was tun, wenn ein kranker Mensch sterben will? Aktive Sterbehilfe ist hierzulande zwar verboten, doch Ärzte können auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichten oder todbringende Medikamente bereitstellen, die der Patient aber selbstständig einnehmen muss. Ende kommenden Jahres will der Bundestag die Sterbehilfe neu regeln. Die öffentliche Debatte läuft schon jetzt, auch in Hanau. Am Samstag, 22. November, lädt der Förderverein Palliative Patienten-Hilfe Hanau zu einem Gespräch mit prominenten Gästen.
Eingeladen sind der frühere SPD-Chef Franz Müntefering, der sich jüngst in den Medien gegen eine Lockerung der Gesetze ausgesprochen hat, sowie der Internist Michael de Ridder, der assistierten Suizid als letzten Ausweg befürwortet. Der Verein organisiert alle zwei Jahre ein Gespräch zur Sterbehilfe. Vereinsvorsitzende Maria Haas-Weber, Ärztin für Allgemein- und Palliativmedizin, erwartet 400 bis 500 Gäste.
Haas-Weber befürchtet einen Dammbruch, falls Sterbehilfe in Deutschland durch neue Gesetze einfacher wird. Sie spricht sich sogar nachdrücklich gegen die zurzeit in Ausnahmefällen praktizierte ärztlich assistierte Selbsttötung aus. Die ist zurzeit zwar nicht strafbar, aber von vielen Landesärztekammern untersagt. „Bei guter Palliativmedizin brauchen wir keinen ärztlich assistierten Suizid“, betont Haas-Weber. Die körperlichen Schmerzen ließen sich bei ausnahmslos jedem Patienten lindern.
Angst vor körperlichem Leid
Die Mehrheit der Deutschen scheint diese Meinung nicht zu teilen. 76 Prozent sprechen sich dafür aus, dass es Ärzten erlaubt sein sollte, Schwerstkranken ein tödliches Medikament zur Selbsteinnahme zur Verfügung zu stellen. Das geht aus einer Umfrage des Instituts Infratest dimap hervor, die WDR und SWR vor zwei Jahren in Auftrag gegeben haben.
Haas-Weber vermutet, dass hinter dieser Einstellung oft die Angst vor körperlichem Leid stehe. Diese Angst könne Palliativmedizin jedoch beseitigen. Damit würde auch die breite Zustimmung zur ärztlich assistierten Selbsttötung sinken. Allerdings fehle es noch an Pflegepersonal. Zurzeit könne der Fachverband für die spezialisierste ambulante Palliativversorgung Hessen nur etwa 20 Prozent der Betroffenen betreuen, sagt die Medizinerin.
Ob sich fünf Mal so viel Personal bezahlen ließe? „Sicherlich nicht“, sagt Haas-Weber. „Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Sorgekultur. Wir müssen Formen entwickeln, um uns gegenseitig zu helfen.“ In der Pflicht stünden nicht nur die Familie, sondern auch Bekannte und Nachbarn. Trotzdem müsse die flächendeckende palliativ-medizinische Versorgung ausgeweitet werden. Vor allem auf dem Land gebe es Nachholbedarf.
Zentrale Anlaufstelle
Wenn Menschen trotz Palliativmedizin keinen Lebenswillen mehr haben, spielen psychische Probleme eine Rolle, ist Haas-Weber überzeugt. Doch auch die ließen sich behandeln – in den meisten Fällen. „Es gibt eine ganz geringe Minderheit, die sich aus depressiven Gründen den Tod wünscht, das muss respektiert werden“, räumt Haas-Weber ein. In diesem Fall könne der Patient ins Ausland gehen, wo die Gesetze weniger streng sind. Allerdings habe sie einen solchen Ausnahmefall noch nicht erlebt.
Um Schwerkranken qualifizierte Beratung zu vermitteln, will der Förderverein mit der Caritas zum 1. Januar 2015 eine zentrale Anlaufstelle einrichten.
Mitdiskutieren und Zuhören können Interessierte am Samstag, 22. November, von 13 Uhr bis 17 Uhr im Congress-Park-Hanau. Unter dem Motto „Hilfe beim Sterben oder Hilfe zum Sterben?“ sind Franz Müntefering und der Internist Michael de Ridder eingeladen. Veranstalter ist der Förderverein Palliative Patienten-Hilfe Hanau.