Hanauer Anzeiger vom 8.11.2007
Es herrschte ein Haus von Überschwang bei einem traurigen Thema: dem Tod. Kreisdiakoniepfarrer Stefan Buss sprach von einer „brillanten Erfolgsgeschichte“, die Fördervereinsvorsitzende Dr. Maria Haas-Weber zeigte sich „dankbar berührt“. Die Palliative Patienten-Hilfe Hanau hat in den vier Monaten ihres Bestehens mehr erreicht, als sich alle Beteiligten erhofft hatten. Gestern erreichte die Organisation einen weiteren Marktstein: Drei Autos wurden in Dienst gestellt, mit denen, so Dr. Haas-Weber, nun die notwendige Mobilität gewährleistet sei.
Seit dem 2. Juli betreut das Palliativteam Hanau schwerstkranke Menschen, die nur noch eine geringe Lebenserwartung haben, und deren Familien im häuslichen Umfeld. Ziel ist „die Hilfe zum Gestalten verbleibender Lebenszeit im vertrauten Lebensumfeld unter guter, medizinisch umfassender Versorgung“. Eckpunkte sind eine professionelle Schmerztherapie, Seelsorge und 24-Stunden-Erreichbarkeit des Betreuungspersonals.
„Es geht nicht darum, den Hausarzt zu ersetzen, sondern ergänzend zu wirken, speziell nachts und an den Wochenenden“, erklärte der Leiter des Palliativteams, Dr. Ingmar Hornke, gestern im Klinikum Hanau. Pflegekräfte, Ärzte und eine administrative Mitarbeiterin bilden das aktive Palliativteam, das sich als neues Zentrum eines Netzwerks versteht, bestehend aus Klinikum und Vinzenz-Krankenhaus, der Arbeitsgemeinschaft Hospiz, Pflegediensten und niedergelassenen Hausärzten.
Schon 145 Patienten betreut
In den ersten vier Monaten der Arbeit wurden selbst die kühnsten Erwartungen übertroffen. Das Palliativteam rechnete bis Jahresende mit 75 Patienten. Tatsächlich wurden schon 145 Menschen betreut. Von den 87 Personen, die verstarben, erlebte nur einer seine letzten Momente in einer Klinik. „Vor Bestehen des neuen Teams sind rund 70 Prozent der Patienten, die zu Hause verbleiben wollten, leider trotzdem in Krankenhäusern gestorben, weil die Versorgung zu Hause nicht gewährleistet werden konnte“, erläuterte Dr. Hornke.
Ein Minus von rund 250.000,- Euro für das nach Angaben von Betriebsleiterin Monika Thiex-Kreye das Klinikum Hanau aufkommt, musste bisher verbucht werden. Ein Grund sind die hohen Kosten für zwei gemietete Fahrzeuge. Die Hausbesuche können von heute an mit eigenen Wagen geleistet werden. Ein Fahrzeug teilten sich die Hanauer Berenbrok-Winterstein- und die Curt- und Maria Meyer-Stiftung, die – vertreten durch Pfarrer Buss und Werner Broßmann – Schecks über jeweils 10.000,- Euro überreichten. Ein Ehepaar, das anonym bleiben möchte, stiftete einen weiteren Pkw. Das dritte Fahrzeug wurde aus Mitteln des Fördervereins Palliative Patienten-Hilfe e.V. bezahlt.
Das Palliativteam Hanau hat in Hessen Pionierarbeit geleistet
Derzeit werden in Fulda, Kassel und Darmstadt erste ähnliche Projekte initiiert. 1.600,- Euro pro Patient und Quartal zahlen die bislang sechs beteiligten Krankenkassen. Ein Betrag, der nicht ausreicht. Nachverhandlungen sollen folgen, weitere Kassen mit ins Boot geholt werden, weil sich das Palliativteam auch um Menschen kümmert, die nicht über die „richtige“ Krankenversicherung verfügen.
Die Organisation betreut schwerstkranke Menschen in einem Umkreis von 25 bis 30 Kilometern rund um Hanau. Ein Versorgungsbedarf bestehe, so Dr. Hornke, für ein Promille der Bevölkerung pro Jahr. Allein für den Altkreis Hanau sind dies rund 300 Menschen im Jahr – Tendenz steigend.
Die Erfolge nach vier Monaten „Kompetenz- und Koordinationszentrum für ambulante Patientenversorgung am Klinikum Hanau“ sind groß, die Resonanz nach Angaben der Initiatoren überwältigend. „Es ist Bewegung hineingekommen, Bewegung in die Pflegelandschaft rings um Hanau: Seit dem 2. Juli setzen sich mehr Menschen als jemals zuvor in Bewegung“, beschrieb Klinikseelsorger Hans-Joachim Roth die Erfolgsgeschichte in einem Dankesbrief.
„Die Menschen haben keine Angst vor dem Sterben, sondern vor dem Leiden vor dem Tod.“ (Dr. Maria Haas-Weber, Vorsitzende des Fördervereins Palliative Patienten-Hilfe Hanau e.V.)